Provenienzforschung und Restitution

Das Volkskundemuseum Wien führt seit 2015 systematische Provenienz­forschung im Sinne des Kunstrückgabegesetzes durch. Finanziert wird dies überwiegend durch staatliche Förderungen, aber auch mit Eigenmitteln. Bisher wurde die Herkunft von rund 5.000 Objekten des Museums begutachtet und rund 600 davon wurden an die rechtmäßigen Erb*innen restituiert. Die Forschungen sind noch lange nicht abgeschlossen und werden in den nächsten Jahren weitergeführt.
Das Volkskundemuseum Wien restituierte in den ersten Nachkriegsjahren unrechtmäßig erworbene Objekte von drei Sammlern: von Oscar Bondy, Albert Pollak und Franz Ruhmann. Deren Rechtsnachfolger*innen hatten aufgrund der sogenannten Rückstellungsgesetze entsprechende Anträge gestellt. Zwei weitere Restitutionen von in der NS-Zeit unrechtmäßig erworbenen Objekten erfolgten per Beschluss des Vorstands des Vereins für Volkskunde, dem Trägerverein des Museums, in den 1990er Jahren an das Jüdische Museum Wien und an ein Mitglied der Familie Rothschild.
 
Im Frühjahr 2015 traf der Vereinsvorstand die grundlegende Entscheidung, dass das Volkskundemuseum Wien, obwohl es ein privates Museum ist, eng mit der Kommission für Provenienzforschung kooperieren und die Bestimmungen des Kunstrückgabegesetzes (BGBl. I Nr. 181/1998) sinngemäß anwenden will. Ziel ist der transparente und offensive Umgang mit eventuell zu Unrecht im Museum vorhandenen Objekten und deren Restitution an die Rechtsnachfolger*innen von jenen Menschen, die vom NS-Regime verfolgt und beraubt worden sind.

Seit 1. Februar 2015 erfolgen nun proaktiv umfassende systematische Provenienzrecherchen zu den Vor/Eigentümer*innen jener Objekte, die das Museum seit 1938 inventarisierte und die vor 1945 entstanden sind. Bis Oktober 2022 war Claudia Spring für den Arbeitsbereich Provenienzforschung und Restitution verantwortlich, mit November 2022 hat ihn Maria Raid übernommen.


Empfehlungen des Kunstrückgabebeirats und Restitutionen

Zu neun Erwerbungen liegen bereits Empfehlungen des Kunstrückgabebeirats der Kommission für Provenienzforschung vor:
 
So empfahl der Beirat die Rückgabe von sechs volkskundlichen Sammlungen: von Dr. Siegfried Fuchs (15. Oktober 2015), von Ing. Georg Popper (15. Jänner 2016), von Anna und Konrad Mautner (5. Oktober 2016), von Ing. Robert Jonas (6. Juli 2017), von Wilhelm Hernfeld (14. Juni 2019) und von Albert Pollak (25. September 2020) sowie die Rückgabe einer Sammlung fotografischer Objekte von Anna und Konrad Mautner (29. Juni 2021).

Weiters empfahl der Kunstrückgabebeirat, dass jene Objekte von Mitgliedern der Familie Wittgenstein, die diese 1938 und 1940 dem Museum als Geschenk übergeben haben, nicht zurückzugeben sind (12. April 2019).

Eine besondere Empfehlung des Kunstrückgabebeirats gilt zwei Objekten, die Arthur Kohn, dem ÖMV im Jahr 1911 als Leihgabe zur Verfügung gestellt hatte: Sie sind weiterhin nicht im Eigentum des ÖMV, weshalb sie auch nicht im Sinne des Kunstrückgabegesetzes restituiert werden können. Doch der Beirat empfiehlt explizit, die Erb*innen zu suchen, um die Objekte zurückgeben zu können (30. März 2022). Dankenswerterweise haben die Mitarbeiter*innen der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) diese Aufgabe übernommen.

Nach meist langjährigen Recherchen gelang es den Mitarbeiter*innen der Israelitischen Kultusgemeinde Wien die Rechtsnachfolger*innen einiger Eigentümer*innen ausfindig zu machen. Fünf Sammlungen hat das Volkskundemuseum bis dato restituiert: jene von Dr. Siegfried Fuchs im Dezember 2016, die volkskundliche Sammlung von Anna und Konrad Mautner im Oktober 2017 und ihre fotografische Sammlung im September 2021, jene von Ing. Robert Jonas im Mai 2019 und jene von Albert Pollak im März 2021. Die Suche nach den Rechtsnachfolger*innen von Ing. Georg Popper und Wilhelm Hernfeld ist noch nicht abgeschlossen, doch seitens des Museums sind die Objekte zur Restitution vorbereitet.
 
Die volkskundliche Sammlung von Anna und Konrad Mautner wurde zwar 2017 restituiert, doch entschied sich die Familie Mautner im Herbst 2019, nach zahlreichen Gesprächen mit den Mitarbeiter*innen des Museums zur Geschichte der Sammlung und zu den Erkenntnissen aus der NS-Provenienzforschung im Museum, den Großteil dieser umfangreichen Sammlung dem Volkskundemuseum zu schenken, damit sie weiterhin für die Schausammlung des ÖMV, für wissenschaftliche Forschungen und für künftige Ausstellungen zur Verfügung steht. Im September 2021 wurde ein umfangreicher Bestand fotografischer Objekte restituiert, doch, nach wiederum sehr ausführlichen Gesprächen mit den Mitarbeiter*innen des Museums, entschied sich die Familie Mautner im November 2021, auch diese Sammlung dem ÖMV zu schenken.
Die Mitarbeiter*innen des Museums sind der Familie Mautner sehr dankbar für diese Zeit der intensiven Gespräche und vor allem für ihre überaus großzügigen Schenkungen der für das Museum und die Wissenschaft so wichtigen und wertvollen volkskundlichen und fotografischen Sammlung von Anna und Konrad Mautner.
 
Neben der Kommission für Provenienzforschung kooperiert das Volkskundemuseum Wien auch eng mit dem Nationalfonds für die Opfer des Nationalsozialismus. Bis dato übergab das Museum detaillierte Objektinformationen sowie Fotos zu 378 Objekten, die zwischen 1938 und 1945 aus dem Kunsthandel erworben wurden. Sämtliche Informationen dazu sind nun in der Kunstdatenbank des Nationalfonds abrufbar, verbunden mit der Hoffnung, auf diesem Weg mehr über die ehemaligen Eigentümer*innen dieser Objekte zu erfahren.

Beitrag Nachrichten Volkskundemuseum Wien 2022/03


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