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Ohnefalsch-Richter, Max

Ethnographische Objekte aus Zypern


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Max Hermann Ohnefalsch-Richter (1850-1917), in Sohland in Sachsen geboren und in Agronomie und Naturwissenschaften ausgebildet, kam 1878 als Berichterstatter für deutsche Zeitungen nach Zypern. Großbritannien hatte als Ergebnis der Zypern-Konvention im Vorfeld des Berliner Kongresses die Insel, bisher Teil des Osmanischen Reiches, als Protektorat übernommen und Ohnefalsch-Richter sollte über den Verwaltungsübergang berichten. Doch schon bald faszinierte ihn die kyprische Altertumskunde und nach einigen Monaten, in denen er unter der neuen Inselregierung u.a. als Beamter in der Aufforstung tätig gewesen und auf Bodenfunde gestoßen war, wurde die Archäologie zum Mittelpunkt seiner Aktivitäten. Er war, trotz fehlender wissenschaftlicher Ausbildung, einer der aktivsten Ausgräber seiner Zeit und unternahm Ausgrabungen im Auftrag von Privatpersonen und öffentlichen Stellen, handelte aber auch mit Antiken.
 
Bei seiner Rückkehr nach Deutschland 1890 führte Ohnefalsch-Richter eine umfangreiche Sammlung an Ethnographica mit sich, die er bei seinen Vorträgen als Anschauungsstücke verwendete, um seine teilweise sehr spekulativen Theorien damit zu stützen und zu beweisen. Die Zusammenstellung konzentrierte sich auf wenige Objektgruppen wie Keramikgefäße, Kalebassen und geflochtene Strohteller und -körbe, die mitunter innerhalb einer Kategorie von demselben Produzenten stammten, und spiegelte sein selektives Interesse an der Ethnographie wider. Einige der Objekte sind nachweislich nicht authentisch und ihre Herstellung wurde, um ihren legitimatorischen Charakter zu steigern, von Ohnefalsch-Richter manipuliert. Sie sind also nur bedingt repräsentativ für die materielle Kultur Zyperns im 19. Jahrhundert. Ihr Hauptzweck war, eine postulierte weitgehende Invariabilität bestimmter kultureller Phänomene im Lauf der Zeit zu bestätigen, indem Gegenwärtiges mit Vergangenem aufgrund äußerlicher Ähnlichkeiten direkt verglichen und zur Erklärung historischer Lebensumstände herangezogen wurde.
 
Wir sehen, wie sich aus den verschiedenen Schichten des Alterthums, den verschiedenen Fundschichten der Ausgrabungen gewissen antike Formen, Decorationsweisen, technische Verfahren, Motive, Sitten, Gebräuche, Hauseinrichtungen, ja ganz eigenthümliche Gebrauchsgegenstände von Generation auf Generation bis auf den heutigen Tag in merkwürdiger Reinheit erhalten haben und noch heute im Volke leben.“ (Ohnefalsch-Richter 1891: 34)
 
Max Ohnefalsch-Richter konnte einen Teil seiner ethnographischen Sammlung an österreichische Museen verkaufen, so gelangten 70 Objekte in den Bestand der anthropologisch-ethnographischen Abteilung des k.k. naturhistorischen Hofmuseums (später Museum für Völkerkunde, heute Weltmuseum Wien; Inventarnummern 40.353 bis 40.422), weitere elf Objekte in den Bestand des Museums für Kunst und Industrie (heute MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst; Inventarnummern 9.399 bis 9.409). Den verbleibenden umfangreicheren Teil seiner Sammlung verkaufte er 1895 an das Museum der Universität Philadelphia, dieser ca. 100 Objekte umfassende Bestand gelangte 1948 zur Versteigerung, sein Verbleib ist unbekannt.
 
1973 kamen 63 Ethnographica der Sammlung Ohnefalsch-Richter, 1988 zwei Nachträge (Inventarnummern 40.399 und 40.418) – die Objekte mit den Inventarnummern 40.373, 40.387, 40.406, 40.419 sowie 40.420 galten bereits damals als verschollen – vom damaligen Museum für Völkerkunde als Dauerleihgabe an das Ethnographische Museum Schloß Kittsee im Burgenland. Nach der Schließung dieses Museum 2008 trat das Österreichische Museum für Volkskunde als Leihnehmer in den Vertrag ein und übernahm die Objekte in seine Bestände. Zwei Objekte (Inventarnummern 40.358 und 40.318) sind derzeit nicht auffindbar.
 
Die Sammlung Ohnefalsch-Richter wurde von Margit Z Krpata umfassend bearbeitet und publiziert. 1992 erschien im Archiv für Völkerkunde ihre Abhandlung „Zypriotische Ethnographica in Wien. Sammlung Max Ohnefalsch-Richter“, 1997 der Beitrag „Zypriotische Ethnographica in österreichischen Sammlungen“ im Begleitbuch zur Sonderausstellung „Das Blatt im Meer – Zypern in österreichischen Sammlungen“, die vom 26. April bis zum 2. November 1997 im Ethnographischen Museum Schloß Kittsee stattfand. Anlässlich dieser Ausstellung wurden erstmals alle noch vorhandenen Objekte der Sammlung gezeigt. Krpatas Forschungsergebnisse bilden auch die Grundlage der Bearbeitung der Objekte für die Webedition in den Onlinesammlungen des Volkskundemuseums Wien. Anlass für die digitale Veröffentlichung war ein Forschungsprojekt zu den archäologischen Aktivitäten von Max Ohnefalsch-Richter auf Zypern, das am Institut für Archäologie der Humboldt-Universität zu Berlin stattfindet und das Konzept und Inhalte für eine anlässlich seines 100. Todestages im Jahr 2017 im Neuen Museum Berlin geplante Ausstellung schaffen soll.
 
Zu erwähnen ist noch, dass in der Webedition die Präfixe der Inventarnummern mit „NHM“ angegeben sind, weil die Objekte ursprünglich im Eigentum des k.k. naturhistorischen Hofmuseums waren. In den späteren Veröffentlichungen wurde „MfV“ als Hinweis auf den Eigentumsübergang an das Museum für Völkerkunde in Wien verwendet. Bei den Detailansichten der Objekte ist, falls bekannt, die griechisch-zypriotische bzw. die türkisch-zypriotische Bezeichnung, getrennt durch Schrägstriche, angegeben.
 
Literatur:
Krpata, Margit: Zypriotische Ethnographica in Wien. Sammlung Max Ohnefalsch-Richter. In: Archiv für Völkerkunde 46/1992, S. 29-60.
 
Krpata, Margit: Zypriotische Ethnographica in österreichischen Sammlungen. In: Margit Krpata & Maximilian Wilding (Red.): Das Blatt im Meer - Zypern in österreichischen Sammlungen. Kittsee 1997 (= Kittseer Schriften zur Volkskunde 8), S. 169-252.
 
Ohnefalsch-Richter, Magda H.: Griechische Sitten und Gebräuche auf Cypern. Mit Berücksichtigung von Naturkunde und Volkswirtschaft sowie der Fortschritte unter englischer Herrschaft. Berlin 1913.
 
Ohnefalsch-Richter, Max (Hg.): The Journal of Cyprian Studies 1/1889.
 
Ohnefalsch-Richter, Max: Parallelen in den Gebräuchen der alten und der jetzigen Bevölkerung von Cypern. In: Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte 1891, S. 34-43.
 
Ohnefalsch-Richter, Max: Kypros, die Bibel und Homer. Beiträge zur Cultur-, Kunst- und Religionsgeschichte des Orients im Alterthume. Berlin 1893, Textband  sowie Tafelband.
 
Ohnefalsch-Richter, Max: Antike Reste im heutigen Leben der Cyprioten. In: Oesterreichische Monatsschrift für den Orient 21/Heft 9/1895, S. 89-97.
 
Dank an: Margit Z Krpata, Monika Maislinger, Claudia Peschel-Wacha
Webpräsentation: Anna Ditchkovskaya, Elisabeth Egger
Juli 2017



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